Putins Sprachrohr in Deutschland, der Sender RT (früher Russia Today), ist sich für keinen Tabubruch zu schade.
Darin wird “Russophobie als Bestandteil westlicher Identität” bezeichnet, die dem “Antisemitismus ähnelt” – so die These eines Beitrags auf der Seite des Kreml-Senders.
Damit setzt RT Kritik an Putin dem Hass gegen Juden gleich.
Das ist nicht nur infam. Es ist auch grob irreführend.
Das Problem in Deutschland ist genau das Gegenteil: Aus Sympathie für Russland denken sich viele Putins Demokratie und Kriege schön. Angefeuert durch Putins mächtige Netzwerke in Politik, Medien und Wirtschaft.
Putins Propaganda ist erschreckend erfolgreich
Putins Propaganda ist in Deutschland erschreckend erfolgreich. Und einer der wichtigsten Stützpfeiler dafür ist RT. Insbesondere auf Facebook, dem wichtigsten sozialen Netzwerk in Deutschland, ist das Kreml-nahe Nachrichtenportal erfolgreich.
Zuletzt bekamen die Beiträge eine höhere Resonanz als beispielsweise Artikel des “Hamburger Abendblatts”, des Berliner “Tagesspiegel” oder der “Taz”. Zwar ist der Abstand bei der Reichweite auf Facebook zu etablierten Medien – wie insbesondere der “Bild”, der “Welt”, “Focus Online” und “Spiegel Online” – nach wie vor gewaltig.
Dennoch verfehlt RT Deutsch in den Filterblasen nicht seine Wirkung.
Ein Reporter, der sich für “Neon” drei Wochen in die Redaktion von RT Deutsch eingeschlichen hatte, schrieb später: “Ich bekomme Zweifel an dem, was ich selbst für wahr halte. Wer lügt hier, und wer schreibt die Wahrheit? Ich weiß es nicht mehr.”
Die Sündenliste von RT ist zu lang, um hier vollständig aufgeführt zu werden.
Einige wenige Beispiele:
► Da werden Journalisten als Stimme des deutschen Geheimdiensts BND denunziert.
► Da werden Pegida-Märsche live übertragen.
► Die ehemalige RT-Deutsch-Mitarbeiterin Lea Frings berichtete, der Sender bestätige gezielt Rechte und Verschwörungstheoretiker in ihrer Meinung.
Das Recherchezentrum “Correctiv” schrieb in einer Analyse: RT Deutsch biete europakritischen Politikern von ganz links und ganz rechts eine Bühne, “Hauptsache die Interviewten sind Merkel- und europakritisch”.
All das ist nur ein kleiner Ausschnitt.
Macron hat das Problem klar benannt – anders als viele andere Spitzenpolitiker
Leider ist von den bedeutenden europäischen Politikern nur der französische Präsident Emanuel Macron durch Klartext aufgefallen: “Sputnik und Russia Today haben sich nicht wie Vertreter der Medien verhalten, sondern wie Werkzeuge der Einflussnahme und der Propaganda“, mahnte er, nachdem er im Wahlkampf selbst Opfer Moskauer Informationsattacken wurde.
Wer noch Zweifel an der Rolle der Moskauer Medien hat, sollte sich anhören, was Russlands Premierminister Dmitrij Medwedew zum Thema zu sagen hat:
“An der Informationsfront ist Journalismus wenig gefragt. Propaganda ist wichtiger. Ehrliche Berichterstattung muss so manchen ideologischen Überlegungen weichen.”
Noch weiter geht Putins ranghöchster Militär, der Chef des russischen Generalstabs, Valeri Gerassimow. Der warnt in der nach ihm benannten Doktrin: “Die Regeln des Krieges haben sich verändert.”
Politische Ziele seien nicht mehr allein mit konventioneller Feuerkraft zu erreichen, sondern durch den “breit gestreuten Einsatz von Desinformationen, von politischen, ökonomischen, humanitären und anderen nichtmilitärischen Maßnahmen, die in Verbindung mit dem Protestpotential der Bevölkerung zum Einsatz kommen”.
Also ganz klar: Propaganda als Waffe im modernen Krieg.
Deutschland muss reagieren – und hätte auch Möglichkeiten dazu
Wenn selbst Putins Generalstabschef daraus keinen Hehl macht – warum tun wir nichts?
So unsinnig ein Verbot von RT, “Sputnik” und Konsorten ist – so dumm ist es, dass wir Putins Propaganda selbst in unsere Medien-Infrastruktur einspeisen, etwa in diverse Kabelnetze und Satelliten.
Leute, die mit Fäkalien unsere Wände beschmieren wollen, geben wir auch keinen Hausschlüssel und Lift-Zugang, damit sie es möglichst einfach haben bei ihrem finsteren Werk und es für alle gut sichtbar platzieren können.
Meinungsfreiheit bedeutet, dass jeder seine Meinung frei äußern darf. Aber sie bedeutet nicht, dass wir jedem ein riesiges Mikrophon zur Verfügung stellen müssen. Umso mehr gilt das für Autokraten wie Putin, die selbst die westlichen, freien Sender aus ihren Verbreitungskanälen längst hinausgeschmissen haben.
Es ist nicht demokratisch, sondern nur blöd, wenn wir den Postboten für jemanden spielen, der unser System destabilisieren will, und seine Propaganda mit unserer technischen Infrastruktur in jeden Haushalt liefern.
Ums Verbreiten ihrer Propaganda sollten sich die Autokraten dieser Welt schon selbst kümmern müssen.