Für die „New York Times“ war Bundeskanzlerin Angela Merkel lange Zeit eine Heldin. Nach dem Abgang von US-Präsident Barack Obama würdigte sie Merkel als „letzte Verteidigerin des freien Westens“. Jetzt senkt die liberale Zeitung die Daumen und bescheinigt in einer aktuellen Analyse Merkel, eine „Zombie-Koalition“ anzuführen.
Die „New York Times“ macht ihr Urteil vor allem an der deutschen Außen- und Europapolitik fest. Hierzulande steht natürlich die Innenpolitik im Zentrum. Da wirkt Merkel seltsam entrückt. Zur Thüringen-Wahl, die für viele Beobachter eine historische Zäsur darstellte, hat sich die Kanzlerin bis heute nicht offiziell zu Wort gemeldet, obwohl dort die etablierten Parteien zusammen keine Mehrheit mehr haben.
Im Streit über die Grundrente lässt sie die Dinge genauso laufen wie bei dem Streit der beiden Saarländer Heiko Maas und Annegret Kramp-Karrenbauer, die sich öffentlich über die Frage einer Schutzzone für Nordsyrien zerlegt haben. Die Kanzlerin lässt das professionell an sich abperlen.
Aber sie ordnet nichts mehr ein, gibt keine Impulse, wirkt geradezu ideenlos. Dazu passt auch, dass sie immer seltener Interviews gibt und sich öffentlich immer mehr abkapselt. Begründet wird das aus ihrem Umfeld damit, dass sie der neuen CDU-Vorsitzenden Platz lassen möchte. Früher wurden aber noch Townhall-Meetings oder Ähnliches aus dem Kanzleramt organsiert. Heute hat man nicht mehr den Eindruck, dass Merkel dem Volk noch den Puls fühlen möchte.
Dieser blutleere Zustand ruft viele einstige Kritiker auf den Plan, die offensichtlich auch die Zeit für Rache gekommen sehen. Den Anfang machte Friedrich Merz, der von einer „grottenschlechten“ Bundesregierung sprach. Jetzt legt Norbert Röttgen nach, der früher mal als „Muttis Klügster“ galt und dann in Ungnade fiel.
Er spricht von einem Totalausfall in der Außenpolitik. Die Kritik könnte man als Querulantentum abtun, aber sie trifft den Zustand von Merkels Koalition ins Mark. Während Merz von einem „Nebelteppich“ sprach, analysierte Vizekanzler Olaf Scholz in einer dialektischen Meisterleistung einen „Mehltau“, der sich natürlich nicht wegen seiner SPD, sondern wegen der Untätigkeit der Union übers Land lege.
In der CDU und CSU ist das vielen bewusst, auch denen, die noch vor einer Personaldebatte zurückschrecken. Größtenteils haben sie nur den Stil und nicht die Inhalte kritisiert.
Es war jedoch nicht die russische „Prawda“, die von außen so fassungslos auf die deutsche Regierung schaut. Zur Einschätzung der Deutschland durchaus gewogenen „New York Times“ haben sicherlich auch die Führungsdebatten in der Koalition beigetragen, denen Merkel tatenlos zuschauen muss. Die „New York Times“ fasst den Zustand der Koalition so zusammen: „Die Bundesregierung ist gelähmt, gefangen in einer zerstrittenen Zombie-Koalition, handlungsunfähig und nicht bereit zu sterben.“