Die EU kennt viele Arten von Wettbewerb, sinnvollen und weniger sinnvollen. Und mancher Wettbewerb hat ein hässliches Gesicht, etwa der mit Lohndumping. Hunderttausende vor allem Osteuropäer arbeiten zu Billigtarifen in westlichen EU-Ländern, manche von ihnen unter jämmerlichen Bedingungen, untergebracht in Unterkünften, die diesen Namen nicht verdienen.
Das Instrument, mit dem dies verhindert werden soll, trägt den ungelenken Namen “EU-Entsenderichtlinie”. Bisher sah die über 20 Jahre alte Richtlinie vor, dass Arbeitnehmer, die auf Zeit zur Arbeit in ein anderes Land entsandt werden, den dort geltenden Mindestlohn erhalten. Doch das Lohngefälle innerhalb Europas machte das Dumping einfach. Vergangenes Jahr verabschiedete das EU-Parlament eine Reform der Regelung, die künftig gleichen Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort auch für entsandte Arbeitnehmer sicherstellen soll. Bis Mitte 2020 muss sie in nationales Recht umgesetzt werden.
In dieser Woche verschickte Heil nun den entsprechenden Gesetzentwurf zur Abstimmung in der Bundesregierung. “Wir wollen Arbeitnehmer vor Lohndumping und Unternehmen vor unfairem Wettbewerb schützen”, sagt Björn Böhning, zuständiger Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium. Künftig sollen in allen Branchen allgemeinverbindliche und bundesweite Tarifverträge grundsätzlich auch auf entsandte Arbeitnehmer angewandt werden. Bislang galt dies nur in der Baubranche.
Entlohnung statt Mindestentgelt
Wichtig auch: Statt wie bisher sollen sie nicht “Mindestentgelte” erhalten, sondern eine “Entlohnung”. Die Änderung des Begriffs bedeutet, dass ausländische Arbeitnehmer auf Zeit nicht nur Anspruch auf Lohn und Überstundensätze haben, sondern auch auf Zuschläge wie Schmutz- oder Gefahrenzulagen oder auf Sachleistungen des Arbeitgebers.
Besonderen Schutz sollen zudem jene bekommen, die länger als zwölf oder 18 Monate entsandt werden. Sie sollen nicht nur den gleichen Lohn bekommen, sondern von allen arbeitsrechtlichen Vorschriften profitieren, ob gesetzlich oder in allgemeinverbindlichen Tarifverträgen geregelt. Außerdem: “Zukünftig wird niemand mehr mit ‘Kettenentsendungen’ den Schutz durch das deutsche Arbeitsrecht umgehen können”, sagt Böhning.
Zugleich soll erschwert werden, dass den entsendeten Arbeitnehmern, wie heute oft üblich, noch vom Lohn die Kosten für Unterbringung, Reisen oder Verpflegung abgezogen werden können. Künftig gelten auch Vorschriften über die Anforderungen an Unterkünfte, die den ausländischen Arbeitnehmern von den Arbeitgebern gestellt werden.
Erfasst werden künftig auch alle Leiharbeitskräfte, die grenzüberschreitend arbeiten – unabhängig davon, ob der Ausleiher im Inland oder im Ausland sitzt. Für alle Leiharbeiter sollen die besseren Arbeitsbedingungen des Staates gelten, in dem sie tatsächlich eingesetzt werden.
“Wir machen mit den teilweise unwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen aus dem Ausland Schluss”, sagt Böhning. Doch zugleich verfolgt das Arbeitsministerium mit dem Vorhaben ein weiteres Ziel. “Wir wollen mit dem Gesetz auch einen Anreiz für die Tarifpartner geben, mehr bundesweite, allgemeinverbindliche Tarifverträge zu schließen.” Das Gesetz soll im Januar ins Bundeskabinett.