Für den neuen lettischen Staatspräsidenten Egils Levits ist Deutschland ein Land, mit dem er viele Erinnerungen verbindet und das ihn geprägt hat. „Deutschland ist mir sehr gut bekannt und ans Herz gewachsen. Und ich glaube auch, dass ich durch meinen langjährigen Aufenthalt ein wenig Deutsch geworden bin“, sagte der 64 Jahre alte Levits der Deutschen Presse-Agentur in Riga. Das drücke sich durch „Diszipliniertheit, Verantwortungsbewusstsein und auch eine demokratische Grundeinstellung“ aus.
Levits, der sein Amt Anfang Juli antrat, verbrachte einen Teil seines Lebens in der Bundesrepublik, in die er 1972 mit seinen Eltern ausgewandert war. „Deutschland hat mich und meine Familie aufgenommen, nachdem wir Lettland wegen des sowjetischen Besatzungsregimes verlassen mussten. Ich habe dort studiert und ich bin, wie man so sagt, ein deutscher Volljurist und auch Politikwissenschaftler“, sagte er. „Deutsch ist meine zweite Sprache nach Lettisch und ich freue mich jedes Mal, nach Deutschland zu kommen.“
Levits, nach der wiedererlangten Unabhängigkeit Lettlands 1991 auch erster Botschafter seines Landes in Deutschland, wird an diesem Freitag in Berlin erwartet. Es stehen Gespräche mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble an.
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Mehr Verantwortung in der Welt
Er sprach sich außerdem für eine stärkere Führungsrolle der Bundesrepublik aus. „Deutschland muss mehr Verantwortung in der Welt übernehmen, die seiner ökonomischen und politischen Macht entspricht – auch auf militärischer Ebene“, sagte er. Deutschland müsse in einer veränderten Welt eine adäquate und verantwortungsvolle Rolle übernehmen.
Mehr als 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg sei Deutschland „ein anerkanntes und hochgeschätztes Zentrum Europas“ geworden. „In turbulenten Zeiten war es immer eine Art Stabilisator und auch die Bundeskanzlerin“, sagte Levits mit Blick auf Kanzlerin Angela Merkel (CDU). „Deutschland setzt sich im Rahmen der Nato auch für die gemeinsame Verteidigung des europäischen Raumes ein. Das ist für uns besonders wichtig.“
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Keine Sorgen vor Dominanz
Bedenken vor einer wachsenden Dominanz Deutschlands hat Levits nach eigenen Worten nicht. Deutschland habe immer sehr gut mit seiner Größe umgehen können und die Interessen der anderen EU-Mitgliedstaaten – besonders jener in Mittel- und Osteuropa – berücksichtigt. „Ich verbinde mit Deutschland eine Politik der Verantwortung, aber auch die Menschen sind nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs in ihren Auffassungen und ihrer Handlungsweise sehr verantwortungsvoll“, sagte Levits.
Angesichts des Brexits und der Verwerfungen in den transatlantischen Beziehungen stecke die EU „in einer schwierigen Situation, wenn nicht sogar in der Krise“, beklagte er. Auch bei der Vorstellung, wie es mit Europa weitergehen solle, befinde sich die EU in einer „Phase der Desorientierung“. Es sei schwierig, eine Tendenz zu einem Zusammenwachsen zu erkennen – die Integration stagniere, sagte Levits.
Um die Spannungen der EU zu überwinden, seien ein „sehr intensiver Dialog“ und Kompromissbereitschaft nötig. „Absoluter Vorrang haben dabei für mich Konsenslösungen unter Beachtung der grundlegenden Werte und Prinzipien, Rechtsstaatsprinzipien inklusive, auf denen Europa sich gründet“, sagte der ehemalige EU-Richter. Dazu gehöre etwa auch, dass die Länder Mittel- und Osteuropas bei der Vergabe der neuen EU-Kommissionsressorts gerecht bedacht werden müssten.