Die Ferienreisezeit hat begonnen und an vielen Autobahn-Tankstellen bilden sich wieder lange Schlangen. Dass ein Mitarbeiter dem Kunden an der Zapfsäule zu Hilfe kommt oder den Ölstand überprüft, ist selten geworden. Denn der Beruf des Tankwarts steckt in der Krise.
Zwei Männer stehen auf einer Tankstelle und schauen auf eine Zapfsäule. Ein dritter, Maikel Wurche, hat das Zapf-Ventil in der Hand und lässt den Kraftstoff fließen. “Der trifft bestimmt nicht die Null”, sagt der Mann, dem das Auto gehört. Doch der 25-Jährige in Arbeitskleidung und Handschuhen schafft die Punktlandung: 50,00 Euro. Die Männer lächeln. Wurches Job erinnert an ein Bild aus vergangenen Jahrzehnten, da waren Tankwarte noch üblich. Die klassische dreijährige Ausbildung zum Tankwart gibt es laut dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) bis heute – die Zahlen sind aber rückläufig.
Auch in Deutschland ging die Zahl der Auszubildenden in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zurück. Im Jahr 1993 waren es noch 876, zehn Jahre später 639 – und 2016 nur noch knapp 160 Auszubildende. Laut dem Zentralverband des Tankstellengewerbes in Bonn liegt dies vor allem an der Einführung der Selbstbedienung an den Zapfsäulen, mit der die Tankwarte in den 1970er-Jahren nach und nach verschwanden.
Trotzdem gibt es nach wie vor Tankstellen, die auf Tankwarte oder zumindest einen Tank-Service setzen. Shell führte 2005 etwa in Berlin, Hamburg, München und im Stuttgarter Raum einen derartigen Service ein, wie das Unternehmen erläutert. Seit 2006 sind es ausgewählte Stationen im ganzen Land. Derzeit gebe es den Service an 500 Stationen von insgesamt rund 2000 Shell-Tankstellen, darunter auch die in Cottbus, wo Maikel Wurche arbeitet. Shell qualifiziert die Mitarbeiter zur Tankwart-Servicekraft in einer eigenen Akademie. Um Chef einer Tankstelle zu werden, reicht das Zertifikat allerdings nicht aus.
Im Angesicht mit dem Kunden
Aral startete Ende der 1990er Jahre in Kooperation mit Arbeitsämtern eine Initiative, bei der Langzeitarbeitslose als Servicekräfte an Tankstellen beschäftigt wurden. Das Projekt setzte sich auf Dauer aber nicht durch. Die Gründe dafür sieht das Unternehmen in einer hohen Fluktuation in andere Jobs, aber auch in der mangelnden Wirtschaftlichkeit auf Seiten der Tankstellenpartner.
An der Zapfsäule hinter Maikel Wurche ist erneut seine Hilfe gefragt. Zwei ältere Frauen hantieren am Tankdeckel, er klemmt. Wurche geht mit zügigen Schritten zu ihnen und kommt schnell mit den Frauen ins Gespräch. Seit Jahren macht er diesen Job, wie er berichtet. Er wirkt routiniert, die Handgriffe sitzen, er lächelt viel. Wurche weiß: “Ich bin das erste Gesicht hier an der Tankstelle, das die Kunden sehen.”
Ein anderer Mann steigt aus seinem Auto. Als er den Tankwart sieht, winkt er ab und sagt: “Nö, danke.” Dabei ist der Service kostenlos, wie die Cottbuser Tankstellenleiterin Sandra Emrich bestätigt. Der Tankwart-Job wird trotzdem vergütet, einen Unterschied bei der Bezahlung im Vergleich zu den anderen Mitarbeitern im Verkaufs-Bereich gebe es nicht. Emrich geht davon aus, dass die Tankstelle von dem Tankwart-Service profitiert. “Die Kundenbindung ist besser”, sagt sie.
Im Ausland ist der Tankwart beliebt
Dass die Zahl der Tankwarte in Deutschland zurückgeht, liegt laut Zentralverband des Tankstellengewerbes auch daran, dass sich die Tankstellen verändert und viele keine Werk- oder Pflegehalle mehr hätten. Dadurch sei der Bedarf an ausgebildeten Tankwarten, die technische Kenntnisse mitbringen, in den Hintergrund gerückt. Geschäftsführer Jürgen Ziegner sagt: “Die Tankstelle hat sich zum Einzelhandelsbetrieb entwickelt.”
Das BIBB empfiehlt eine Modernisierung des Berufsbildes. Denn dieses stamme aus dem Jahre 1952, sagt Mottweiler. “Und viele Schulabgänger wissen überhaupt nicht, dass es den Beruf noch gibt.” Die kaufmännischen Anteile sollten aus Sicht des Bundesinstituts gestärkt werden. Möglicherweise könne das dazu führen, dass die Ausbildungszahlen wieder steigen.
Im Ausland sind Tankwarte stärker verbreitet. Wer zum Beispiel in Italien mit dem Auto unterwegs ist, sollte sich auf andere Regeln beim Tanken gefasst machen. Denn während die Autofahrer in Deutschland es gewohnt sind, selbst zu tanken und dann an der Kasse zu zahlen, ist es in Italien üblich, das dem Tankwart zu überlassen. Allerdings gegen Bezahlung.
An Autobahnen kann man da schon gerne mal 20 Cent pro Liter mehr zahlen, als wenn man selbst zur Zapfsäule schreitet. Und da die Spritpreise in Italien sowieso schon zu den höchsten in ganz Europa gehören, kann das Tanken hier ein richtiges Loch in die Urlaubskasse reißen. Der Service ist bei den Italiener dennoch sehr beliebt: “Die Menschen haben es hier immer eilig. Sie nehmen fast immer die Tankbedienung in Anspruch”, sagt ein Tankstellenbetreiber in Rom.