In Großbritannien ist wieder Wahlkampf. Alle Nachrichten rund um die Auseinandersetzung, die letztlich wohl über den Brexit entscheiden wird, finden Sie hier im Überblick:
Bercow verurteilt Brexit
Kurz nach Ende seiner Amtszeit hat der britische Ex-Parlamentspräsident John Bercow seine Neutralität aufgegeben und den geplanten EU-Ausstieg scharf verurteilt. “Ich denke, dass der Brexit der größte außenpolitische Fehler in der Nachkriegszeit ist, und das ist meine ehrliche Meinung”, sagte Bercow bei einem Treffen mit Auslandskorrespondenten in London. Der Brexit werde sich nicht positiv auf das internationale Ansehen Großbritanniens auswirken.
Bercow sagte: “Ich bin nicht mehr der Speaker, ich muss nicht mehr unabhängig sein.” Er betonte, dass er sich während seiner Amtszeit stets neutral verhalten und auch die Brexit-Befürworter stets fair behandelt habe. Bercow hatte das Amt des “Speaker of the House of Commons” zehn Jahre inne. Am Montag wurde der Labour-Politiker Lindsay Hoyle zu seinem Nachfolger gewählt. (6. November 2019)
Johnson vergleicht Labour-Wirtschaftspläne mit Stalins Methoden
Die Wirtschaftspläne der größten Oppositionspartei findet Boris Johnson offenbar nicht so gut. Er vergleicht sie mit Methoden von Sowjetdiktator Josef Stalin. Die Sozialdemokraten unter Parteichef Jeremy Corbyn verachteten das Streben nach Profit so sehr, dass sie bereit seien, die Grundlage des Wohlstands zu zerstören, schreibt Johnson in einem Beitrag für die Tageszeitung The Telegraph.
“Sie geben vor, dass ihr Hass nur gewissen Milliardären gilt und zeigen mit einer Freude und Rachsucht auf Menschen, die seit der Verfolgung der Kulaken durch Stalin nicht zu sehen war”, so Johnson weiter. Falls Labour die Wahl gewinne, “würden sie Steuern auf alles erheben: auf Renten, Geschäfte, Erbschaften, Häuser und Gärten.” Corbyn weist die Attacken auf Twitter zurück: “Das ist der Schwachsinn, den die Superreichen raushauen, um ein bisschen mehr Steuern zu vermeiden.” (06. November 2019)
Trump und Johnson sprechen über Handelsdeal nach Brexit
Donald Trump und Boris Johnson wollen dem Austritt Großbritanniens aus der EU ein “robustes” bilaterales Handelsabkommen folgen zu lassen, wie das Weiße Haus nach einem Telefonat mitteilt. Aus Johnsons Büro heißt es, der Premier habe von Trump gefordert, dass die USA ihre jüngst verhängten Strafzölle auf schottischen Whisky wieder zurücknehmen. Außerdem habe er verlangt, die Drohung mit Strafzöllen auf Autoimporte aus der EU, wovon auch Großbritannien betroffen wäre, nicht in die Tat umzusetzen. (06. November 2019)
Britisches Parlament vor Neuwahl aufgelöst – Wahlkampf beginnt
Unter dem Glockenturm Big Ben sind für gut fünf Wochen die Lichter ausgeschaltet. Das britische Unterhaus wurde in der Nacht vom 5. auf den 6. Novemver kurz nach Mitternacht (Ortszeit, also 1.01 Uhr MEZ) aufgelöst. Zusammentreten sollen die Abgeordneten nach der Wahl erstmals wieder am 16. Dezember. Zeitgleich mit der Parlamentsauflösung beginnt in Großbritannien die offizielle Wahlkampfperiode. Der scheidende EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hofft, dass es dabei nicht nur um den Brexit geht. “Ich hätte doch gern, dass dies nicht wiederum ein Brexit-Wahlkampf wird.” (06. November 2019)
Russische Brexit-Einmischung? Abgeordnete streiten um Parlamentsbericht
Die britische Opposition wirft der Regierung von Premierminister Boris Johnson vor, einen Bericht über eine mögliche Einmischung Russlands in das Brexit-Referendum 2016 zurückzuhalten. Damit wolle Downing Street vermeiden, dass die britische Öffentlichkeit vor der Parlamentswahl möglicherweise brisante Details aus dem Report des parlamentarischen Geheimdienstausschusses erfährt. “Was in aller Welt haben sie zu verstecken?”, fragte die außenpolitische Sprecherin der Labour-Partei, Emily Thornberry. Der außenpolitische Sprecher der Liberaldemokraten, Chuka Umunna, schrieb bei Twitter: “Es stinkt nach Vertuschung.”
Europa-Staatssekretär Christopher Pincher wies die Vorwürfe am Dienstag im Parlament hingegen als politisch motiviert zurück. Er betonte, es gebe “keine Beweise, die nahelegen, dass es eine erfolgreiche russische Einmischung in britische Wahlabläufe gegeben hat”. Aber auch Mitglieder der Konservativen forderten die Freigabe des Papiers. “Indem (Johnson) diesen Bericht nicht veröffentlicht, bietet er nur Raum für den Verfolgungswahn der Opposition”, sagte der ehemalige Brexit-Minister David Davis. (05. November 2019)
Lindsay Hoyle zum neuen Parlamentssprecher gewählt
Der Nachfolger für John Bercow ist gefunden: Das britische Unterhaus wählt Lindsay Hoyle zum neuen Parlamentspräsidenten. Der Labour-Abgeordnete setzt sich in der vierten Wahlrunde bei geheimer Wahl gegen seinen Parteifreund Chris Bryant durch. Hoyle war bereits seit 2010 Vizepräsident des Unterhauses. Der 62 Jahre alte Oppositionspolitiker kündigt an, neutral und transparent zu arbeiten. “Dieses Parlament wird sich verändern, aber es wird sich zum Guten verändern”. Es gehe darum, dass die Abgeordneten auf den hinteren Bänken die Regierung zur Rechenschaft ziehen könnten, hatte Hoyle in seiner Bewerbungsrede gesagt. Ein verantwortungsvoller Speaker müsse das unterstützen. Lindsay Hoyle verspricht Wandel, aber keine Revolution, schreibt Cathrin Kahlweit. (04. November 2019)
Nigel Farage kandidiert nicht für das Unterhaus
Der ehemalige Ukip-Chef Farage wird nicht für seine neue Brexit-Party kandidieren. In einem Interview mit der BBC erklärt Farage, er habe darüber nachgedacht, wie er den Brexit am besten vorantreiben könne. Besser als eine eigene Kandidatur erscheine es ihm, im Wahlkampf kreuz und quer durchs Königreich zu reisen und die anderen Kandidaten seiner Partei zu unterstützen. Farages Brexit-Partei setzt sich für einen harten Brexit ohne Austrittsabkommen ein. (03. November 2019)
Boris Johnson sagt “sorry”
Premierminister Johnson hat sich bei den Mitgliedern seiner Konservativen Partei für den erneuten Brexit-Aufschub entschuldigt. Bei einem Sonntagmorgen-Interview im Sender Sky gab er sich zerknirscht – er sei mit dem Versprechen angetreten, den Brexit am 31. Oktober zu bewerkstelligen, aber mit diesem Vorhaben gescheitert. (03. November 2019)
Tories drohen nicht mehr mit “No Deal”
Premierminister Boris Johnson will im Wahlkampf nicht mehr mit einem No-Deal-Brexit drohen. Er habe auf diese Drohkulisse im Programm seiner Konservativen Partei verzichtet, berichtete die Times. Stattdessen wolle er den Fokus auf eine Zustimmung zu seinem Austrittsabkommen legen, das er mit der EU im vorigen Monat ausgehandelt hatte, aber vom Parlament abgelehnt worden war. Johnson hatte zuvor der Aufforderung der Brexit-Partei von Hardliner Nigel Farage für einen Verzicht auf seinen Brexit-Deal und der Bildung eines Wahlbündnisses eine Absage erteilt. (02. November 2019)
“Ordeeer!” – John Bercow tritt ab
Es ist ein besonderer Donnertag im Unterhaus – obwohl der ursprünglich einmal für diesen Termin festgesetzte Brexit ja nun in den Januar des Folgejahres verschoben wurde. Parlamentssprecher John Bercow nimmt an diesem Donnerstag zum letzten Mal in seinem Amtssessel Platz. Er räumt den Posten freiwillig für einen Nachfolger. Bercow hatte mit seiner pointierten Art und seinen lauten “Order”-Rufen die harten Brexit-Debatten der vergangenen Monate und Jahre geprägt und regelrechten Kultstatus erlangt. Alle Parteien zollen ihm beim Abschied großen Respekt. Dominik Fürst erläutert, was diesen Parlamentssprecher so besonders macht. (31. Oktober 2019)
Was die Parteien wollen
Bereits zu Beginn des Wahlkampfes zeichnen sich klare Linien zwischen den Parteien ab, insbesondere in Bezug auf das zentrale Thema: den Brexit. Die konservativen Tories von Boris Johnson kämpfen mit dem Slogan “Get Brexit done” – sie wollen den EU-Austritt schnellstmöglich vollziehen und wünschen sich ein klares Mandat der Wähler, damit sie das Abkommen mit der EU verabschieden können. Labour mit Spitzenkandidat Jeremy Corbyn ist dagegen uneins: In der Partei gibt es sowohl Befürworter wie auch Gegner des Brexits. Die Partei verspricht im Wahlkampf: Es wird ein zweites Referendum geben, in dem die Wähler noch einmal über den Austritt und den Austrittsvertrag abstimmen sollen. Die Liberaldemokraten unter Jo Swinson haben sich klar gegen einen Brexit positioniert und versprechen, ihn rückgängig zu machen, sollten sie nach der Wahl eine Mehrheit im Unterhaus haben. Die schottische SNP – eigentlich auch gegen den Austritt – setzt sich für ein zweites Referendum ein. Eigentlich wünscht sich die Partei Unabhängigkeit für Schottland. Die Brexit-Party von Nigel Farage, dem ehemaligen Ukip-Chef, kämpft für einen harten EU-Austritt ohne Vertrag. Christian Simon hat die Positionen der Parteien ausführlich analysiert.
Unterhaus beschließt Neuwahlen für den 12. Dezember
Nach langem hin und her beschließt das Unterhaus, dass es noch in diesem Jahr Neuwahlen geben soll. Noch am Tag zuvor hatte eine Mehrheit des Parlaments dies abgelehnt. Zuletzt aber lenkte auch die oppositionelle Labour-Partei ein. Noch in der Sitzung beginnt der Wahlkampf. Labour-Chef Jeremy Corbyn verspricht die “ehrgeizigste und radikalste Kampagne”. Warum der Wahlkampf hart und böse wird und warum Premierminister Boris Johnson unbedingt die Entscheidung an der Urne wollte, erklärt Cathrin Kahlweit in einem Kommentar. (29. Oktober 2019)
Was im Streit um den Brexit bisher geschah
Bei einem Referendum am 23. Juni 2016 haben die Briten mehrheitlich für einen Austritt aus der Europäischen Union gestimmt. Seitdem sucht das Land nach einem Weg, den Brexit zu vollziehen. Die Regierung unter Führung der konservativen Tories hat ein Austrittsabkommen mit der EU verhandelt – dieses scheiterte jedoch mehrfach im Unterhaus. Premierministerin Theresa May war zu Beginn des Jahres 2019 mit ihrem Abkommen dreimal hintereinander im Parlament gescheitert. Sie trat daraufhin zurück, ihr Nachfolger wurde Boris Johnson. Er einigte sich mit der EU auf eine veränderte Version des Abkommens, die aber im Oktober 2019 ebenfalls im Unterhaus scheiterte. Daraufhin einigte sich eine Mehrheit des Parlaments aus Neuwahlen.
Das Austrittsdatum wurde wegen der komplizierten Verhandlungen bereits mehrfach nach hinten verschoben. Zunächst sollte der Brexit im März 2019 stattfinden. Derzeit ist als Austrittstermin der 31.Januar 2020 vorgesehen. Nach diesem Datum soll es noch eine Übergangsphase geben, bis Großbritannien endgültig die EU verlassen hat – so zumindest ist es im Abkommen vorgesehen. Möglich wäre aber auch ein so genannter harter Brexit – also ein direkter Austritt ohne Abkommen und Übergangsphase. Sowohl die EU als auch eine Mehrheit in Großbritannien will dieses Szenario unbedingt vermeiden.